Unfall oder Krankheit?


Unfall oder Krankheit

Ein alter Zopf aus den schweizerischen Sozialversicherungen

Dieser alte Zopf aus unserer Industriegeschichte ist in der Schweiz immer noch wichtig. Die Versicherer müssen sich in vielen Fällen mit dieser Frage auseinandersetzen. Eine Sisifus-Arbeit die niemanden nützt. Am wenigsten den Versicherten. Die getrennte Geschichte der SUVA und der AHV/IV beweist es.

Ca. 1850 begannen in der Schweiz die industriellen Sozialversicherungen. Vorerst waren es die grossen Industriegiganten, die mit internen Unfallversicherungen begannen.

Es hatte sich damals ja herausgestellt, dass man die Unfälle am Arbeitsplatz versichern musste. Einer Krankenversicherung standen die damalige Mentalität und die noch schlechten hygienischen Verhältnissen entgegen. Also war es sehr plausibel nur die vielen Arbeitsunfälle abzudecken.

1877 Wurde dann das eidgenössische Fabrikgesetz angenommen. Die Arbeitssicherheit und der Grundsatz der kausalen Haftpflicht der Fabrikanten für Berufsunfälle und Berufskrankheiten waren damals die ersten Schritte in die richtige Richtung.

In diesen Jahren drehte es sich vor allem um die Unfallversicherung. Mit einer Krankenversicherung und Altersvorsge wollte - bis Ende des 19. Jahrhunderts - niemand zu tun haben. Die eigentlichen Krankenversicherungen begannen dann anfangs des 20. Jahrhunderts und waren natürlich noch von der Unfallversicherung - die jetzt bestens lief - getrennt. Eine Trennung die noch heute besteht.

1925 wurde vom Schweizervolk der neue Artikel 34 quater und 41 ter in der Bundesverfassung angenommen. Wegen der wirtschaftlichen Krise und der politischen Unsicherheit wurde aber die Einführung der AHV verschoben.

1947 nahm das Schweizer Volk das Gesetz über die AHV an.

Am 1. Januar 1948 trat es in Kraft und ab diesem Datum wurden die ersten Renten ausbezahlt.

Und jetzt geschah endlich das Folgerichtige. Die IV - die Bestandteil der AHV ist - unterschied nicht mehr zwischen Krankheit und Unfall. Eine arbeitsunfähige Person war eben arbeitsunfähig und ein verstorbener Arbeitnehmer hatte Hinterlassene. Egal ob Unfall oder Krankheit.

Dummerweise war aber die mächtige und ausgezeichnet laufende SUVA noch da, und die Krankentaggeldversicherer hatten auch Ihren Nährboden gefunden.

Was tun?

Gar nichts!

Man entschloss sich die Sozialversicherungen in der Schweiz immer noch zweigleisig fahren zu lassen. Ein Ärgernis aber für jeden intelligenten Versicherer und Versicherten und vor allem für die Verantwortlichen einer Pensionskasse.

Was könnte man tun?

Es wäre sehr einfach die SUVA in die IV zu integrieren und die Krankentaggeldversicherer leben zu lassen. Zudem hätte man den Vorteil die Wartefrist von 12 Monaten auch bei Unfall einzuführen. Die Krankentaggeldversicherer müssten also 12 Monate versichern, und dies auch bei Unfall.

Aber wo eine politische Lösung zu einfach ist, da gibt es gar keine Lösung.

Ich möchte Euch noch ein kleiner Berechnungsbeispiel vortragen:

2 Zwillingsbrüder, 34 Jahre alt, mit einem leichten Herzfehler, arbeiten in der gleichen, kleinen, mechanische Werkstätte.

Beide sind BVG minimal versichert.

Beide verdienen Jährlich je 55'000 Franken.

Beide sind verheiratet mit je einer 30 jährigen Frau und haben ein vorschulpflichtiges Kind.

Beide arbeiten seit 10 Jahren im gleichen Betrieb.

Über die Mittagszeit machten beide zusammen immer einen Spaziergang. Eines Tages rutscht einer der Beiden auf der berühmten Bananeschale aus und fällt auf die Strasse vor einem Lastwagen. Er ist sofort tot. Der Andere musste zusehen. Er erschrickt dermassen, das es zu einem schweren Herzinfarkt kommt. Das dumme daran ist auch, das er noch schwer erkältet ist und das es so zu Komplikationen kommt. Er verstirbt 2 Tage später im Spital als Krankheitsfall.

Die Berechnung dieses Falles überlasse ich Euch. Aber die Spezialisten werden sofort merken auf was ich hinaus will.

P.S. Was sagt ihr der einen Witwe des Verunfallten, dass alle Spareinlagen des BVG umsonst waren und in der Pensionskasse bleiben. Was sagt man der anderen Witwe, des Krankheitsfalles, dass sie weniger Rente erhält als die erstere?

Vorschlag

UVG und KVG zusammenziehen. SUVA der IV unterstellen. Die Frage ob Unfall oder Krankheit verbieten.

von Pierluigi Peruzzi, ehemaliger Pensionskassenverwalter